Vom Aussterben bedroht
Freitag, März 29th, 2013Selten zuvor wurde dermassen viel Elfenbein gehandelt wie in diesen Tagen. Nach einem soeben vorgelegten Bericht der Vereinten Nationen hat sich der Verkauf seit dem Jahr 2007 praktisch verdoppelt. Wilderer fallen geradezu in Horden ein und schlachten die Tiere regelrecht ab. Zuletzt im Tschad. Dort wurden nach Angaben des International Fund for Animal Welfare (IFAW) innerhalb nur einer Woche 86 Tiere niedergemetzelt, darunter auch 33 trächtige Kühe. Die Bevölkerung hat sich nach Angaben des IFAW munter daran beteiligt. Zuvor hatten Landwirte der Regierung gemeldet, dass Elefantenherden die Äcker niedergetrampelt hätten. Die Verantwortlichen allerdings reagierten nicht. Doch ist dies noch lange nicht alles: Im Februar 2012 wurden innerhalb kürzester Zeit im Bouba-Ndjida-Nationalpark in Kamerun rund 650 Elefanten im wahrsten Sinn des Wortes hingerichtet.
https://www.youtube.com/watch?v=VDsDiuydwB0
(Quelle: WWF)
Noch Ende der 70er Jahre wurde die Zahl der afrikanischen Dickhäuter auf bis zu 3 Millionen geschätzt. Ein zehnjähriges, grauenvolles Gemetzel liess nicht mehr sehr viele von ihnen übrig – nach Schätzungen 3-600.000! Der afrikanische Elefant steht auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere nach wie vor ganz oben, gleich daneben das Nashorn.
Dabei erreichte uns diese Woche auch eine gute Nachricht aus Südafrika. In den dortigen Reservaten nimmt die Population inzwischen dermassen zu, dass den Elefantenkühen Empfängnis-Verhütungsmittel verabreicht werden. Stimmt nämlich das Gleichgewicht nicht mehr, werden Bäume und Sträucher abgefressen bzw. entwurzelt, wodurch die Dickhäuter auch das Dasein anderer Wildtiere gefährden. Das Land am Kap Horn ist der einzige afrikanische Staat, der seine Naturreservate einzäunt und künstliche Wasserstellen anlegt. Somit haben die dort heimischen Tiere optimale Existenzvoraussetzungen. Und dies, obwohl bislang rund 29 % ihres Lebensraumes durch die Ausbreitung des Menschen verloren gegangen sind. Bis 2050 sollen dies gar 63 % sein. Die Dickhäuter sind Wandertiere. Ist eine Fläche abgegrast oder kein Wasser mehr vorhanden, ziehen sie weiter. Das Wachstum der Natur kann sich dadurch erholen – ausserdem überleben viele Jungtiere diese Wanderungen nicht, da sie noch zu schwach sind. Dies entspricht – so hart es auch klingen mag – einer natürlichen Auslese. Auf Wanderschaft gehen, das müssen die ca. 14.000 Elefanten des Krüger Nationalparks nicht mehr. Sie wissen dies auch sehr zu schätzen und verdoppeln alle 15 Jahre ihre Population. Deshalb wurden nun wieder viele der künstlichen Wasserstellen, die nicht zuletzt auch für die Safari-Touristen angelegt wurden, zugeschüttet. Zudem entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft, im Dreiländereck mit Mozambik und Zimbabwe der mit 100.000 Quadratkilometer grösste Nationalpark der Welt – der Great Limpopo Transfrontier Park. Der Zaun zum Krüger Nationalpark ist an dieser Grenze bereits niedergerissen worden. Hier haben dann auch die Elefantenherden wieder genügend Platz für Ihre Wanderschaften.
An der Universität von Pretoria wurde diese Immunokontrazeption entwickelt. Das Präparat PZP wird den weiblichen Elefanten injiziert und hat keinerlei Nebenwirkungen. Gewonnen aus der Eizellhülle von Schweinen, bildet der Elefant dagegen Antikörper, die sich wie eine schützende Schicht um die Eizellen des Muttertieres legen und die Spermien des männlichen Tieres abblocken. Bereits 230 Kühe sollen in insgesamt 15 Reservaten damit behandelt worden sein. Die Tiere werden vom Hubschrauber aus mit den Injektionen beschossen – die Prozedur muss jedes Jahr wiederholt werden.
All das geschieht übrigens im Einverständnis mit Arten- und Naturschützer. Denn bis zum Jahr 1994 wurde die Population mittels Culling im Griff gehalten – dem legalen Abschiessen der Tiere. Ist das nicht pervers? Da steht eine Spezies auf der Roten Liste und “muss” trotzdem abgeschossen werden!? Dieses Culling wurde 2007 wieder erlaubt – immer wieder branden deshalb heftige Proteste von Tierschutzorganisationen dagegen auf. Somit ist die “Pille für die Elefantin” wesentlich willkommener.
Das alles sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der afrikanische Elefant nach wie vor vom Aussterben bedroht ist. Auf der Artenschutzkonferenz von Bangkok wurde dies in Zahlen gefasst: 20 Jahre! Dann werden es die Elfenbein-Jäger tatsächlich geschafft und wieder ein Tier ausgerottet haben. Nach Schätzungen der Umweltorganisation WCS überlebten gerade mal eine halbe Million diesen Holocaust des letzten Jahrzehnts. Doch – wie konnte das geschehen???
Im Jahr 1989 wurde der afrikanische Elefant unter Artenschutz gestellt. Bis 1997 bestand ein sehr strenges Handelsverbot für Elfenbein. Die Tierschutz-Organisationen kritisieren, dass es seither sukzessive gelockert wurde. 25.000 Tiere fallen dem Ganzen jedes Jahr zum Opfer. Seit langer Zeit war nicht mehr dermassen viel Elfenbein auf dem Markt erhältlich. Gelockert wurden die Bestimmungen um mittels sog. “Testverkäufe” den Markt zu entkrimminalisieren und den Schmugglern bzw. Wilderern den Boden unter den Füssen wegzunehmen. Diese allerdings scherten sich einen Dreck darum und schossen munter weiter. Ein Zustand, den etwa auch der Kenya Wildlife Service heftigst kritisiert. So heisst es in dem bei der Cites-Artenschutzkonferenz in Bangkok veröffentlichten Bericht des UNO-Umweltprogrammes UNEP, dass sich der illegale Handel mit Elfenbein seit 2007 mehr als verdoppelt habe. Den grauenvollen Rekord hält dabei das Jahr 2011. So wurden Elfenbeinladungen mit einem Gewicht von mehr als 800 kg sichergestellt. Dies lässt den Schluss auf organisierte Verbrecherstrukturen zu. Bereits im August 2011 berichtete das Wissenschaftsmagazin “Nature” von einer Verzehnfachung der Elfenbein-Schwarzmarktpreise seit 1990. Für die arme Bevölkerung des Schwarzen Kontinents also durchaus eine lukrative Einnahmequelle.
Der ganz offizielle Handel findet in Thailand statt. Dort gilt heimisches Elfenbein als legal. Seit 2011 wurden auf dem Flughafen Bangkok nicht weniger als 1.800 kg Elfenbein beschlagnahmt. Im Dezember 2012 entdeckten zudem malaysische Zollfahnder in Port Klang bei Kuala Lumpur rund 1.500 Stosszähne von Elefanten, die höchstwahrscheinlich für den Markt in China vorgesehen waren. Gefunden wurde das weisse Gold im Wert von rund 15 Mio € in zwei Schiffscontainern, die mit Holzdielen beladen waren. Nach Angaben der Artenschutzorganisation Traffic werden jährlich Stosszähne von zirka 2.500 Elefanten beschlagnahmt. Neun von zehn Lieferungen jedoch gehen unbemerkt durch. Also müssen andere Wege im Kampf gegen den Schmuggel beschritten werden.
https://www.youtube.com/watch?v=TNJ1R963ULE
(Quelle: 3Sat)
Schnitzer fertigen kleine Heiligenfiguren an und verwenden damit das Elfenbein wie hierzulande das Holz dafür zurecht geraspelt wird. Ob nun der “Rohstoff” aus heimischem oder afrikanischem Elfenbein besteht – das lässt sich nur sehr aufwendig nachvollziehen. Die meisten der fertigen Produkte sind für den Export bestimmt, wobei sich der grösste Absatzmarkt in China befindet. Dort erzielt ein Kilogramm des weissen Goldes zwischen 500 bis 5.000 Euro – je nach Qualität. Geschnitzte Figuren aus Thailand können schon mal für 1.500 € gehandelt werden. Tierschutzorganisationen sammeltern nicht weniger als eine halbe Million Unterschriften, damit Thailand zur Änderung der Gesetzeslage bewogen werden solle. Die dortige Regierung allerdings bleibt stur – anstatt dessen wird erwogen, die DNA-Struktur der 4.000 heimischen Zuchttiere zu überprüfen und festzuhalten.
Die Wilderer sind nicht nur Kriminelle, die bekämpft werden müssen. Sie bringen auch tausende Menschen, die v.a. im Tourismus tätig sind, um deren Lebensgrundlage. In Tansania beispielsweise sind 40 % der Landesfläche geschützt. 880.000 Touristen brachten im vergangenen Jahr nicht weniger als 5 Milliarden US-Dollar! Devisen, die das Land verdammt gut gebrauchen kann. Die meisten davon kamen, um Wildtiere wie auch den Elefanten in freier Natur beobachten zu können. Denn: All jene, die die Dickhäuter schon mal in natura gesehen haben, wissen ob des überwältigenden Naturschauspieles! Nicht zuletzt auch deshalb soll künftig Wildtierkriminalität als Straftat eingestuft und die Banden grenzüberschreitend verfolgt werden. Bislang war es nur ein Vergehen! Eigene Spezialeinheiten beobachten zu diesem Zweck auch das Internet. Vorort patrouillieren beispielsweise im Krüger Nationalpark mit Sturmgewehren bewaffnete Ranger der South African National Parks.
https://www.youtube.com/watch?v=AcaYD-YdcLY
Es herrscht Krieg, denn die Wilderer scheuen sich nicht davor, ebenfalls von der Waffe Gebrauch zu machen. Sturm- oder Schnellfeuergewehre sowie Macheten werden gegen Elefanten und auch Ranger eingesetzt. Der Kampf um Elefanten und Nashörner kostet jeden Monat Menschenleben. Im Rahmen des Blutrausches in Kamerun gab es gar ein Aufeinandertreffen der Armee mit den Wilderern. Bei den Gefechten im Bouba Ndjda Nationalpark im Westen des Landes kam ein Soldat um’s Leben, zwei weitere wurden verletzt.
Die Wilderer selbst sind zumeist gut vernetzt und wissen, dass ihnen nicht viel geschehen kann, geschweige denn, dass sie mit scharfen Strafen rechnen müssen. Dies führt auch zu viel Frust bei den Rangern selbst, da viele unter ihnen Verwandte, Bekannte oder auch Kollegen im Busch verloren haben. Sie schlagen zu oder erschiessen die Schlächter. Übrigens sollen vornehmlich Frauen hinter der Wilderei stecken. Soweit das Ergebnis einer Studie von Asanterabi Lowassa. Die Sozialwissenschaftlerin hat unzählige Interviews in den Buschdörfern geführt. Demnach stiften die Frauen ihre Männer zur Wilderei an – ganz nach dem Grundsatz: Ein richtiger Mann geht in den Busch und erlegt Elefanten! Wildtierschutz ist somit nur dann erfolgreich, wenn die Bevölkerung eingebunden wird. Ansonsten wird es auch weiterhin nicht nur ein Gemetzel in den Steppen geben. Und, dass auch mit dem Nachbarn nicht zu Spassen ist, wenn er erwischt wird – der Ranger Jean Pierre aus dem Kongo bringt es auf den Punkt: “Wenn sie nicht gleich aufgeben, schiessen wir, bevor wir beschossen werden!” – Leben und Leben lassen im afrikanischen Dschungel.